Vor der Krise ist in der Krise
Vor nunmehr 10 Jahren habe ich mit dem Immobiliengeschäft begonnen und hatte das große Glück geringer Zinsen und gerade in Berlin eines Marktes, der von alleine jedes Jahr um 10 Prozent stieg. In manchen Stadtteilen habe ich für 700 € auf den Quadratmeter Immobilien gekauft. Heute liegen hier die Preise im Schnitt teilweise bei über 5.000 € auf den Quadratmeter. Ich kann mich an Zeiten erinnern, da waren mir Seitenstraßen mit 3.000 € auf den Quadratmeter in Ku‘Damm zu teuer. Man konnte über Nacht beim Steigen der Preise zusehen und eigentlich nicht viel verkehrt machen.
Ein Geschäftspartner hat in dieser Woche die Situation derart schön zusammengefasst: „Jetzt ist das Geschäft wieder so schwer, wie es eigentlich sein sollte.“ Diese Einschätzung teile ich. Bis sich die Kaufpreise und Renditen den aktuellen Zinsen und dem aktuellen Investitionsklima in Deutschland angepasst haben, werden wohl noch mindestens 12 Monate vergehen – solange gilt es besonders beim Einkauf konzentriert zu sein.
Wie die anstehende Immobilienkrise zustande kam, lässt sich leicht zusammenfassen: Die Zinsen steigen irgendwann einmal wieder, das war absehbar. Wie die Zinspolitik der Zentralbanken en détail funktioniert, damit kenne ich mich nicht aus. Die Auswirkungen kann ich allerdings für den Immobilienmarkt einigermaßen einordnen. Rein physikalisch betrachtet gibt es keinen Wert unter Null und es wurde seitens Top-Ökonomen jahrelang kommentiert, dass die Nullzinspolitik nicht besonders gesund sei. Gleichwohl ist es bei steigender Inflation die Aufgabe der EZB mit höheren Zinsen entgegenzusteuern. Eine katastrophale Baupolitik der Berliner Regierung wirkte entsprechend und erreichte 2022 seinen Höhepunkt. Baugenehmigungen, die mehr als drei Jahre dauerten, keine B-Plan-Entwicklungen, investorenfeindliche Stimmungsmache und Spaltung zwischen Vermieter und Mieter haben der Berliner Marktstimmung geschadet. Die steigenden Baukosten – durch die Unterbrechung der Handelsketten in Corona – machten viele Bauprojekte bei hohen Grundstückspreisen ebenfalls unattraktiver. Der „Gnadenstoß“ ist allerdings das aktuelle Investitionsklima, das aus Angst vor den hohen Energiepreisen gepaart mit den höheren Kapitaldiensten bei Banken (Zinsen und Tilgung) bei vielen Mitbürgern die Lust auf Immobilieninvestitionen schwinden lässt. Nicht nur das, es ist auch schlichtweg nicht mehr umsetzbar.
Nimmt man einen Kredit über 800.000 € bei einer Bank auf und der Kapitaldienst umfasst 1,5% Zinsen und 1,5% Tilgung oder 5% Zinsen und 2,5% Tilgung, dann beträgt der Aufwand satte 3000 € mehr im Monat. Logischerweise passt dies nicht wirtschaftlich in jeden Haushaltsplan. Besonders schmerzhaft werden die nächsten Jahre für Kreditnehmer ohne Zinsbindung oder wenn in ein paar Jahren der offene Restbetrag nach Auslauf der Zinsbindung in einer Anschlussfinanzierung finanziert werden muss und aufgrund von sparsamer Tilgung und vielfachen Zinsen plötzlich eine ganz andere Monatsrate ansteht. Für den Kleinanleger bzw. Eigenheimbesitzer sind die Auswirkungen vor allem für anstehende Immobilien- und Anschlussfinanzierungen spürbar.
Bei Immobilienunternehmern wie Maklern, Finanzierern, Bauträgern und Projektentwicklern sind die möglichen Auswirkungen ambivalent zu betrachten. Der fleißige Makler kann selbstredend mit einem guten Käuferkreis weiterhin ein gutes Geschäft generieren. Gerade durch gezwungene Verkäufe wird Bewegung am Markt stattfinden. Für Kreditvermittler könnten schwierige Zeiten anbrechen. Vor allem in den bevorstehenden Monaten, in denen die EZB die Zinsen erhöht und Banken in einer „Selbstfindungsphase“ weilen, werden voraussichtlich viel weniger Kredite abgeschlossen als vor zwölf Monaten. Für Bauträger, die in den letzten Jahren nicht solide gewirtschaftet haben, könnten die Zeiten am schwersten werden. Die zwei Corona-Jahre, die sämtliche Lieferketten für Baumaterialien unterbrachen, sowie die langsamen Genehmigungsverfahren haben der Branche schon erheblich zugesetzt. Außerdem werden die steigenden Zinsen und die fehlende Investitionsfreudigkeit einige Baufelder unberührt lassen, viele Baustellen werden womöglich nicht weitergebaut werden und der ein oder andere Bauträger könnte sogar „das Handtuch werfen“. Gleiches kann für Immobilienentwickler gelten, die im Finanzierungsbereich die falschen strategischen Entscheidungen getroffen und zu teuer eingekauft haben.
Unser Team hat sich seit Beginn des Ukraine-Kriegs und in den vergangenen Monaten zunehmend mit Handlungsmöglichkeiten und Maßnahmen in Krisenzeiten auseinandergesetzt. Für mich ist es das erste Mal, dass ich seit Beginn meiner Tätigkeit in der Immobilienwirtschaft „Gegenwind“ durch die Marktentwicklung bekomme. Daher sind die folgenden Vorschläge keineswegs die eines „Überlebenden“, denn ich habe noch nie eine Immobilienkrise operativ miterlebt.
Lieber den Spatzen in der Hand, als die Taube auf dem Dach.
Da ich in meinen Immobiliengeschäften das Maximum erreichen möchte, muss gerade ich mich an dieses „neue Kapitel“ gewöhnen. Eine Kreditablösung und auch ein etwas kleinerer Gewinn können jetzt Gold wert sein. Zum Glück kam es bis jetzt noch nicht in Frage – aber selbst ein kleiner Verlust wäre hinnehmbar, um größeren Schaden abwenden zu können. Diese neue und für mich gewöhnungsbedürftige Situation fällt gerade mir schwer, da ich immer das Meiste herausholen will. Ich werde und würde dringend empfehlen, bei Gewinnerwartungen leichte Abstriche zu machen.
Zeit nutzen
Im kommenden Jahr erwarte ich eine Transaktionsflaute. Meine Ziele für 2023 sind im Team zu wachsen, mich umfassend mit diesem weiterzubilden, unsere verbesserungswürdigen Strukturen aus- und neue Geschäftskontakte aufzubauen. Vor allem unsere bereits begonnenen Geschäfte und Baustellen möchten wir mit einem Höchstmaß an Qualität abschließen. Im Jahr 2023 wird der Blick vom Neugeschäft mehr auf die bestehenden Projekte gerichtet.
Obacht bei Ankäufen
Ein schlechter Ankauf kann in einer schwächelnden Marktsituation mit doppelter Härte zuschlagen. In Verhandlungen gilt es die Contenance zu wahren und in der Chancen-Risiken-Abwägung der Risikoseite mehr Beachtung zu schenken. Ich habe mir für das nächste Jahr vorgenommen, in Kaufpreisverhandlungen einen besonders „langen Atem“ zu beweisen.
Kredite „glatt ziehen“
Meine Prognose – nageln Sie mich bitte nicht darauf fest – ist, dass die Zinsen in den kommenden zwei bis drei Jahren weiter steigen. Bei in Kürze auslaufenden Kreditverträgen haben wir JETZT Gespräche mit Banken geführt, wenn kein Weiterverkauf in Aussicht war. Es macht immer Sinn über möglicherweise anstehende Herausforderungen frühzeitig zu sprechen, bevor die Probleme eintreten.
Bestand monetarisieren
Zu diesem Thema haben wir betriebsintern ein ganzes Wochenende einen Workshop absolviert. Denn ein größerer positiver Cashflow in den Bestandsimmobilien kann gerade bei Liquiditätsengpässen die Kosten im Betrieb entlasten. In vielen Mietshäusern und Gewerbeimmobilien stecken noch ungenutzte Ressourcen. Gewerbemietverträge können zum Beispiel verbessert werden, die Werbung an Hauswänden, das Aufstellen von Funkantennen, die Vermietung von freien Kellerabteilen und das Platzieren von Geldautomaten ziehen wir erstmalig in Erwägung.
Liebe Freunde und Geschäftspartner, für die kommenden ein bis zwei Jahre gilt es vor allem optimistisch zu bleiben und stärker denn je zusammenzuhalten. Wir werden nächstes Jahr dennoch angreifen und unseren Wachstumskurs fortsetzen. In diesem Sinne möchte ich Freddy Mercury zitieren: „THE SHOW MUST GO ON!“
Herzlichst,
Damian Fenner